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Das Baltikum ( Kurland , Livland , Estland , Litauen )
und die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk 1917/18

Ein Beitrag zur Gründungsgeschichte von Lettland , Estland und Litauen

von Herbert Becker

Erw. Fassung des Vortrages
in der Freien Universität Berlin / FB Geschichtswissenschaften am  9. Juni 1988
 

   Vorwort

          Als ich 1988 den Vortrag zum obigen Thema an der Berliner Universität hielt, gehörte das Baltikum noch zur Sowjetunion. Zu diesem Zeitpunkt konnte wohl kaum jemand ahnen, daß bereits in wenigen Jahren durch den Zerfall der Sowjetunion Estland, Lettland und Litauen unabhängige Staaten sein würden. Die Jahre um 1989/91 wurden zum historischen Wendepunkt.

          Einen Wendepunkt für das Baltikum bedeuteten auch die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk 1917/18. Denn sie leiteten einen Prozess ein, der die langjährige russische Herrschaft im Baltikum beendete. Aus den ehemals russischen Gouvernements Kurland , Livland und Estland sowie Teilen der  Gouvernements Witebsk und Wilna bildeten sich die unabhängigen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Hierbei wurde Livland entsprechend der Siedlungsgebiete der Letten und Esten aufgeteilt: Der südliche Teil mit der Hauptstadt Riga kam zu Lettland, der nördliche hingegen zu Estland. 

          Diese Unabhängigkeit war jedoch nur vorübergehend. Bereits 1940 verloren die baltischen Staaten infolge des Hitler-Stalin-Paktes ihre Selbständigkeit. Sie wurden als Sowjetrepubliken Teil der Sowjetunion. Abgesehen von der Zeit zwischen 1941 und 1944/45, in der das Baltikum von der deutschen Wehrmacht besetzt war, blieben sie für ein halbes Jahrhundert unter sowjetischer Herrschaft. Erst mit der Auflösung der Sowjetunion erreichten die baltischen Sowjetrepubliken ihre Unabhängigkeit.

          Inzwischen gehören Estland, Lettland und Litauen der Europäischen Union an. Dementsprechend werden die Kontakte zu den westlichen Ländern immer vielfältiger. Das trifft besonders für Deutschland zu, das mit dem Baltikum - nur unterbrochen durch die Sowjetzeit - seit dem Mittelalter kulturell und wirtschaft- lich eng verbunden ist. Außerdem trägt der zunehmende Touristenstrom in das Baltikum mit dazu bei, daß die Medien weit häufiger als früher über Themen der baltischen Geschichte berichten. Ein in diesem Zusammen- hang zwar nur sehr selten erwähntes, aber dennoch wichtiges, weil das Schicksal der baltischen Völker bestimmendes Ereignis waren die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk 1917/18.

          Mit den Ergebnissen dieser Friedensverhandlungen wurden die Weichen für die Gründung der balti- schen Staaten als selbständige Republiken gestellt. Wie bedeutsam das war und bis heute auch noch ist, zeigt sich daran, daß die jetzigen baltischen Staaten sich zu ihrer Legitimation auf die damalige Gründung berufen. Sie sehen sich in einer historischen Kontinuität, die bis in die Jahre 1917/18 zurückreicht. Schon deshalb dürfte meiner Meinung nach das Thema der folgenden Seiten von Interesse sein. 

                                                                                                                                           Herbert Becker

                                                                                                                                                 > Weiter